Selbstbild
Ich denke für viele Fotografen ist das Thema Selbstportraits irgendwann mehr oder weniger interessant. Abgesehen von den technischen Herausforderungen können Selbstportraits aber auch ein neuer Zugang zur eigenen Arbeit sein, durch die ein Ausgeliefertsein und ein anderer Blick auf sich Selbst möglich wird. Im Entstehen ungeschönt und (vielleicht) doch fremd. Die Kamera war dabei für mich kein Spiegel und das Foto kein Spiegelbild, denn kaum ein anderes fotografisches Ergebnis war bisher in diesem Maße direkt und mit dem fertigen Bild so schnell objektiviert und plötzlich für mich selbst erlebbar.
Der Weg, den das eigene Ich im Text beschreitet, wird begleitet von Motiven aus Kindheit und Märchen. Der Wolf symbolisiert die Summe kindlicher Vorstellungen, Träume, Ängste, Eindrücke und Erwartungen. Mit dem Tod des Wolfs endet aber nicht auch all das, was Kind im eigenen Ich bleibt und bleiben will, sondern markiert einen Wandel. Diese Veränderung endet in der Verhärtung und das Ergebnis ist eine stillere, statischere Form des Seins und Fühlens, die irgendwann das Drängen und das Stürmen aufgegeben hat.
Das Wort „Ich“ soll im Text kein speziell auf mich als Person bezogener, inhaltlicher Anspruch sein. Ebensowenig, wie es mit der fertigen Sequenz die Fotos sind.
Ich gehe.
Ich atme.
Ich setze mich wieder.
Mir ist nicht mehr kalt.
Ich gehe weiter.
Er ist noch da.
Ich sehe den Wald.
Mir ist kalt.
Ich werfe meine Schuhe weg.
Mir ist nicht mehr kalt.
Ich finde das Haus nicht mehr.
Ich schlafe ein.
Ich träume nicht.
Ich grabe in der Erde.
Er atmet.
Mir ist kalt.
Ich schlafe nicht mehr,
Ich werfe meinen Mantel weg.
Mir ist nicht mehr kalt.
Ich male mir Bäume auf die Haut.
Es schneit
Sein Puls wird langsamer.
Mir ist kalt.
Ich beginne zu vergessen.
Ich ritze mit den Fingern
meinen Namen in die Rinde.
Ich erinnere mich an die Hände meiner Großmutter.
Mir ist nicht mehr kalt.
Ich kleide mich in Zweige.
Ich atme.
Er liegt im Sterben.
Die Gesichter verschwinden.
Mir ist kalt
Ich höre die Bäume stehen.
Ich gehe weiter.
Ich lese Namen in der Rinde.
SIe winden sich um meine Hände.
Sein Atmen wird schwächer.
Mein Herz schlägt.
Mir ist kalt.
Ich gehe weiter.
Mir ist nicht mehr kalt.
Ich lege die Äste ab.
Sie bleiben.
Ich sehe aufgemalte Bäume.
Der Wolf ist tot.
Es schneit.
Mir ist kalt.
Ich bleibe. Hände schreiben auf mir.
Ich bleibe. Mein Herz schlägt nicht mehr.
Ich bleibe. Die Schritte fallen mir schwer.
Ich bleibe. Ich bin Krone und Wurzeln.
Ich bleibe. Ich bleibe.
Ich bleibe.
Mir ist nicht mehr kalt.